Dortmund. Marita Link ist froh, dass sie noch lebt. Um ein Haar wäre sie mit ihrem Mann ertrunken. In ihrer eigenen Gartenlaube. In Dortmund überfluteten die Regenmassen Samstag ganze Straßenzüge.
In den Stadtteilen Marten und Dorstfeld fiel in fünf Stunden soviel Wasser wie sonst nur in drei Monaten: 200 Liter pro Quadratmeter.
Karl-Heinz Dobring ist mit den Nerven am Ende. Das Erdgeschoss seines Fachwerkhauses in Marten steht unter Wasser. „Diesmal können wir es abreißen”, sagt er. Das Gebäude sitzt auf einem Lehmboden, ist völlig unterspült worden.” 100.000 Euro investierte er in den letzten drei Jahren in die Innenausstattung. Der Schaden ist immens, und Dobrings besitzen keine Versicherung. „Die Agenturen nehmen uns nicht auf, weil wir in einem Hochwasser-Gefahrengebiet wohnen”, sagt er.
Der nahe fließende Roßbach als Zulauf zur Emscher konnte die Wassermassen Samstag nicht bewältigen und lief über. Nicht zum ersten Mal. Mehrfach standen die Keller an der Martener Straße schon unter Wasser. So schlimm wie diesmal war es nie. „Wir fühlen und von der Stadt Dortmund und der Emschergenossenschaft im Stich gelassen. Die kennen unser Problem und scheren sich einen Dreck darum”, schimpft Karl-Heinz Dobring. Umstehende Nachbarn nicken.
Karussells im Schlamm
Kalt erwischte es am Wochenende auch die Schausteller des Martener Volksfestes. Manche Karussells standen einen Meter tief im Schlammwasser. „So etwas habe ich in 60 Jahren hier im Ort noch nicht erlebt”, schnauft Organisator Reinhard Gallen am Mobiltelefon. Wie viele Anwohner konnte er seine Wohnung erst gestern Morgen verlassen, nachdem Technisches Hilfswerk und Feuerwehr ihre Pumpen in Gang brachten.
Eine Straße weiter stehen Elektrohändler Peter Schiefelbein die Tränen in den Augen. Auch er fand keine Versicherung, die im Hochwasserfall haftet. 60 moderne Flachbildschirme, unzählige Backöfen und Waschmaschinen sind regelrecht überflutet. Rechnungen, Kataloge und Unterlagen schwimmen durch den Laden. „Mindestens 300.000 Euro”, schätzt er den Schaden. „Und wer weiß, ob der Benzingeruch jemals wieder weggeht.” Mit den Fluten schwammen auch die Treibstoffe von überfluteten Fahrzeugen in sein Geschäft.
Keine Chance Koikarpfen
Im selben Wasser schwimmen die Koikarpfen von Karl-Heinz Dobring. Die ersten bereits kopfüber. Die Stunden ihrer Artgenossen sind gezählt. „In dem Wasser überleben die keine drei Stunden mehr”, sagt Dobring. Gar keine Überlebenschance hatten die Tiere im Stall hinter dem Nachbarhaus. Sie wurden von der tötlichen Flut überrascht. Kaninchen, Tauben, Meerschwinchen treiben tot auf der Wasseroberfläche.
Im Negerdorf, der Bergbausiedlung im Nachbarort Dorstfeld, konnten sich Menschen um ein Haar vor der überfluteten Emscher in Sicherheit bringen. Als Remzi Mala Elektrogeräte aus dem Untergeschoss retten will, drückt die Flut die Kellertür aus den Angeln. Drei Sekunden später stand das Wasser unter der Decke und Remzi wirbelte orientierungslos im Wasser. Ohne seinen Sohn, der ihn von der Kellertreppe aus zu fassen bekam, wäre es wohl schlimmer ausgegangen.
"... wir wären ersoffen!"
Auch Marita und Ullrich Link sind nochmal mit dem Schrecken davon gekommen. Bis zum Gürtel reichte die Flutwelle, die sie in ihrer Gartenlaube überraschte. „Zwei Minuten vorher wollte ich die Türe schließen, um uns vor dem Hagel zu schützen. Meine Frau aber wollte lieber firsche Luft. Hätte ich das getan, wir wären ersoffen”, sagt Ullrich Link. Durch den Wasserdruck hätte sich die Tür nach außen kaum öffnen lassen.
Rund 90 Haushalte sind im Negerdorf betroffen. „Es wird Tage dauern, bis hier wieder alles aufgeräumt ist”, sagt Anwohner Uwe Kisker. „Und dann muss sich die Stadt was einfallen lassen.”
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