WR-Gespräch

Harald Lesch: "Ich habe in der Kneipe das Reden gelernt"

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Mainz. 16 Jahre lang moderierte Joachim Bublath „Abenteuer Forschung”. Sein Nachfolger ist Harald Lesch, Professor für Astrophysik und Naturphilosopie und neuer Wissenschaftskopf des ZDF. Lesch hat schon im Bayerischen Rundfunk gezeigt, dass er Kompliziertes einfach rüberbringen kann.

Herr Lesch, Sie sind ein begnadeter Erzähler. Woher kommt das Redetalent?

Lesch: Ich komme nicht aus einer Akademikerfamilie. Mein Vater war Starkstromelektriker, man kann sogar sagen, dass ich in einer Kneipe aufgewachsen bin. Meine Großeltern hatten eine Gaststätte im hessischen Mücke. An so einem geselligen Ort sind die Leute gesprächig. Sie fragen dich ständig, was du machst. Und so habe ich ihnen in ganz normaler Sprache erklärt, warum ich Physik studierte, und was ich da so lernte. Später, als ich an der Uni Bonn war, ging das weiter. Die Kölschkneipe ist im Rheinischen ein guter Kommunikationsort.

Die Kneipe als Redeschule? Das reicht?

Lesch: Nicht ganz. Ich hatte auch das Riesenglück, während des Studiums Theater zu spielen. Das war mein Hobby, ich war so eine kleine „Rampensau”. Die VHS suchte Darsteller für Kabarett-Aufführungen, und ich habe mitgemacht. Es war klasse, auf der Bühne zu stehen und zum Beispiel einen Massenmörder zu spielen.

Der deutsche Professor gilt nicht als großer Redner.

Lesch: Das ist bedauerlich. Man kann daran auch den geringen Stellenwert der Lehre ablesen. Eigentlich müsste an den Unis ein unkündbarer Generationenvertrag gelten: Die Älteren sagen den Jüngeren, was sie wissen. Das muss das Ziel eines jeden Hochschullehrers sein. Stattdessen sind Drittmittel oder Gutachtenschreiben oft im Vordergrund.

Wie gut ist Deutschland zu seinen Wissenschaftlern?

Lesch: Leider gar nicht gut. Unser Land hat eine große wissenschaftliche Tradition, und den Wissensvorsprung, können wir nur halten, wenn die Gesellschaft bereit ist, in Grundlagenforschung zu investieren. Wissenschaft ist heute ein riesiger internationaler Markt. Da muss ein Land sich auch besonders um seine Forscher kümmern, und sie nicht mit schlechten Ge-hältern ins Ausland treiben. Kluge Köpfe sollen vor allem anwendungsbezogen forschen und marktfähige Produkte erzeugen. Diese Forschung bringt uns allenfalls Reformen. Wir brauchen aber wissenschaftliche Revolutionen. Dies kann nur in der Grundlagenforschung gelingen.

Wissenschaft erreicht in den Medien ein Riesenpublikum. Die Leute mögen Technik und Naturwissen. Aber sie studieren es nicht.

Lesch: Für viele stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht. Ein naturwissenschaftliches Studium erscheint so anstrengend, dass die Leute sagen: Es lohnt sich nicht. Attraktiver sind dann Fächer, in denen es „weicher” zugeht und in denen man scheinbar eher „schwafeln” kann.

Die Neugier müsste doch schon in den Schulen geweckt werden.

Lesch: Stimmt. Vieles liegt am Lehrer. Es sind nicht immer die besten Studierenden, die das Lehramt wählen. Der Lehrerberuf hätte einen anderen Stellenwert verdient. Nur die Besten sollten an die Schulen gehen. Diejenigen, die den Kindern nicht die Neugier aberziehen. Und genau so sollten auch die Professoren auf ihre Studenten eingehen.

Und wie viel Einsatz sollten die Studenten zeigen?

Lesch: Ach, die zeigen ja Einsatz, da will ich nicht klagen. Aber es war früher etwas mehr. Wenn eine Vorlesung freitags nachmittags stattfindet, dann kommen von 150 Studenten noch 24. Die anderen sind schon im Weekend-Feeling. Zu einer guten Ausbildung gehört eine gute Arbeitshaltung. Anders gesagt: Du musst erst mal was werden, bevor du was bist. Das geht nur durch Üben, Üben, Üben. Wo ist Deutschland denn absolute akademische Weltklasse? An den Musikhochschulen. Dort müssen die Studenten ständig üben. In der Physik sollte es genauso sein.

„Wir zeigen keinenWeltuntergang”

„Abenteuer Forschung” stellt weiter Technik und Natur in den Mittelpunkt. Müssten da nicht all die Theologen, Soziologen und Pädagogen sauer sein?

Lesch: Das Medium Fernsehen ist für die Geisteswissenschaftem nicht geschaffen. Sie sind nämlich sehr sprachlastig, und auf zu viel Sprache regiert das Publikum mit Abschalten. Wir werden aber dennoch zum Beispiel mit philosophischen Themen experimentieren. Ich habe da einige Ideen.

Was ist bei „Abenteuer Forschung” anders als bei Sendungen wie „Galileo” oder „Planetopia”.

Lesch: Bei uns gibt's keine Weltuntergangsszenarien, keinen Super-Vulkan oder Mega-Kometen. Wir nehmen die Zuschauer mit auf Entdeckungsreisen. Wir präsentieren die jüngsten Forschungsergebnisse, zu denen es vielleicht noch gar keine Bilder gibt.

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