Dortmund. Immer mehr Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen. Doch wer professionelle Hilfe benötigt, muss mitunter bis zu einem Jahr auf einen Termin für eine ambulante Therapie warten.
„Das ist ein Riesen-Problem”, sagt Uschi Gersch, psychologische Psychotherapeutin und Vorsitzende des Landesfachverbandes NRW. Denn Krankheiten chronifizierten sich bei derart langen Wartezeiten - „dabei steht den Betroffenen die Not meistens schon Oberlippe Unterkante.”
Eine andere Folge der überlasteten Praxen: „Bei akuten Problemen landen sehr viel mehr Menschen in der Klinik, als es eigentlich nötig wäre”, glaubt Diplom-Psychologin Ulrike Kunkel, die seit 1992 eine Praxis in Wickede betreibt. Zudem erhielten viele Ratsuchende verstärkt Medikamente, um die Wartezeit bis zur Therapie zu überbrücken. „Das ist nicht unbedingt wünschenswert, aber oft erforderlich, um sie überhaupt ersteinmal in einer akuten Phase zu versorgen”, so die Psychologische Psychotherapeutin.
"Absurde Situation"
Verantwortlich für die langen Wartezeiten ist nach Ansicht des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen eine falsche Festsetzung bei den Bedarfszahlen vor zehn Jahren: „Das führt zu der absurden Situation, dass wir in Köln 180 Prozent Überversorgung haben, die Wartezeiten in der Regel jedoch sechs bis acht Monate betragen - für diejenigen, die erst ab 16 Uhr kommen können, sogar ein Jahr”, so Gersch. Ihr Verband fordert daher, „dass mehr Psychotherapeuten zugelassen werden und mehr Geld für die Versorgung sichergestellt wird.”
Prof. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, bezeichnete es als „absurde Versorgunspolitik”, die Arbeitszeiten von Psychotherapeuten noch weiter einzuschränken. Nach der Honorarreform 2009 dürfen niedergelassene Psychotherapeuten schon jetzt nur maximal 38 Stunden je Woche Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln. „Diese Kapazitätsgrenze noch weiter abzusenken, wäre angesichts monatelanger Wartezeiten für Patienten in psychotherapeutischen Praxen nicht mehr zu verantworten.”
Den Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach Ansicht ihrer Sprecherinnen die Hände gebunden: „Natürlich ist das ein Problem, aber wir können nichts tun”, sagte Karin Hamacher (KV Nordrhein). „Hier müsste der Gesetzgeber die Bedarfszahl ändern.”
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