Siegen. Das Museum für Gegenwartskunst Siegen verbindet in einer Schau Aufnahmen von August Sander mit Arbeiten von Foto- und Videokünstlern der Moderne.
Welch eine Ansammlung von beeindruckenden Portraits von Menschen, die Einiges verbindet: Sie lebten im Westerwald und sind schon lange tot. August Sander, 1876 in Herdorf geboren und in seinem Heimatort zunächst als Haldenjunge in einer Erzhütte beschäftigt, hat sie fotografiert: Den intellektuellen Bildungsbürger, die nachdenkliche junge Frau, den müden Arbeiter nach der Schicht, den Jüngling im feinsten Zwirn, die Kinder in Uniformen der Kaiserzeit, die arme Zirkusfamilie, den Pastor mit seinen Konfirmanden und, als wohl bekanntestes Foto von allen, das alte Bauernpaar mit seinen abgearbeiteten Händen. Museumschef Thomas Thiel: „Ein fast schon ikonisches Bild“. Wohlhabende Bürger und Menschen am Rande der Gesellschaft. Sie sind ab Freitag im Museum für Gegenwartskunst zu sehen.
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August Sander war kein Fotograf für Schnappschüsse. Nichts überließ er dem Zufall, alles war bis ins Detail arrangiert und komponiert. Das hatte er während seiner Ausbildung bei einem Fotografen in Siegen gelernt. So schuf er im Laufe der Jahrzehnte mehr als 600 Portraits. Thomas Thiel ist stolz darauf, 70 dieser „Meisterwerke der Fotogeschichte“ im MGK präsentieren zu können.
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Alle auf beeindruckend großes Format gezogen und 1964 von August Sander selbst nicht lange vor seinem Tod für das Siegerland ausgewählt. Dass diese Bilder nun wieder gezeigt werden können, ist Barbara Lambrecht-Schadeberg zu verdanken, dieser großherzigen Mäzenin, die die Fotos dem MGK zu dessen 20. Geburtstag geschenkt hat.
Ausstellung in Siegen: Nach August Sander
Die Ausstellung verharrt nicht in der Fotogeschichte des letzten Jahrhunderts. Ein noch größerer Teil zeigt die Menschen des 21. Jahrhunderts. So Sandra Schäfers großformatige Fotos und Projektionen mit dem Titel „Westerwald – eine Heimsuchung“. Sie zeigt, wie heute die Arbeit eines Bauern aussieht, wenn er mit modernster Technik ausgestattet ist. Und sie hat sogar den Wald gefunden, der August Sander 1912 als Hintergrund seines Bauernpaar-Fotos gedient hatte. Nur noch ein Baum ist davon geblieben.
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Originell sind die Fotowände des Holländers Hans Eijkelboom. Seit 30 Jahren fotografiert er weltweit Menschen in Geschäftsvierteln von Metropolen. Das macht er so geschickt, dass diese davon nichts merken. Die Fotos ordnet er nach äußerlichen, meist modischen Merkmalen zu Tableaus von 15 bis 20 Bildern. Rund 100 von den etwa 3000, die so entstanden sind, werden in der MGK-Ausstellung präsentiert. Vor allem die elf Tableaus, die er durch Fotos in der Siegener Innenstadt geschaffen hat, werden die Museumsbesucher interessieren. Denn unter den vielen Abgebildeten wird der Betrachter sicherlich auch einige bekanntere Gesichter erkennen.
Museum für Gegenwartskunst Siegen: Hochglanz und Biografisches
Auch die Smartphone-Generation kommt nicht zu kurz: Großformatige Hochglanzfotos junger, attraktiver Frauen, fast zu schön, um wahr zu sein. Und man sollte sich Zeit lassen, sich einen besonderen Kurzfilm in 3D anzusehen, der ein fiktives Bild von August Sanders letzten Lebenstagen zeichnet, vor allem sein lebenslanges Trauma beschreibt: Dass sein Sohn Erich, der vorher schon einmal von den Nazis inhaftiert wurde, 1944 als politisch Verfolgter in einem Nazi-Gefängnis starb: An einem Blinddarmdurchbruch, wie ihm von einem Offizier mit Hakenkreuz völlig emotionslos mitgeteilt wird. „So etwas kann passieren“, sagt dieser, um dann August Sander zu bitten, ein Portrait von ihm zu machen: „Ich bewundere Ihre Arbeit.“
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