Höchsten. Wildschaf Herrmann hat sich ein neues Zuhause gesucht: einen Garten in Dortmund. Das Tier stört mächtig – aber einfangen darf man es nicht.
Herrmann, ein stattliches Wildschaf im besten Alter, tauchte im Garten an der Wittbräucker Straße zum ersten Mal im Juni 2016 auf. Vorsichtig war er damals, zurückhaltend fast. Von Zurückhaltung kann jetzt aber keine Rede mehr sein. Herrmann mutierte zum Rabauken.
Auf sein Gewissen gehen inzwischen (unter anderem) eine Schaukel und eine Hollywoodschaukel, ein Grill und ein Schuppen. Und dass die Kinder (ein und drei Jahre alt) nicht mehr den Sandkasten nutzen können, hat auch mit ihm zu tun. Wie jetzt mit Herrmann, dem Problemmufflon, umzugehen ist, darüber streiten Stadt und Naturschützer. Sowie Manfred Ninnemann und Ilse Keinitz.
Anfangs kam er nur frühmorgens oder spätabends
Am Anfang fanden Herr Ninnemann und Frau Keinitz das Mufflon noch ganz drollig. Im Juni 2016 sahen sie es zum ersten Mal, sie bekamen damals im Urlaub ein Foto zugesandt. Eine Nachbarin hatte es fotografiert. Herrmann, wie das Mufflon bald genannt wurde, kam erst nur frühmorgens oder spätabends in den Garten, knabberte die Rosentriebe ab oder das Fallobst weg. Wo er herkam? Man weiß es nicht, aber er quert regelmäßig die hinter dem Haus liegende Autobahnzufahrt. Bisher unbeschadet.
Irgendwann probierte er sein Geweih an der Schaukel aus, dann am Amboss, der im Garten steht, dann an einem Schuppen - und so ein Mufflongeweih ist eine mächtige Waffe, denkt, wer sich die Folgen im Garten anschaut. Als er dann noch den Sandkasten okkupierte "und da so frech herausguckte", wie Frau Keinitz sagt, war klar: Das Tier muss weg. Über das "Wie" allerdings herrscht Uneinigkeit.
Die Dortmunder Tierschutzorganisation Arche 90, die inzwischen involviert ist, würde das Tier gerne "von einem professionellen Tierfänger" mit einem Betäubungsgewehr einfangen und dann nach Schleswig transportieren lassen. Dort wurde für Herrmann bereits ein Platz gefunden. In einer Muffelwildherde. Die Kosten von rund 900 Euro würde die Arche 90 aufbringen.
Einfangen? Naturschützer würden sich strafbar machen
Der Haken an der Sache ist: Die Naturschützer, würden sich, würden sie so vorgehen, strafbar machen. Denn das "Einfangen und Versetzen von Wild" verletzt das Jagdrecht und ist nach § 292 StGB eine Straftat und mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bewehrt. Weiß das Recht und weiß die Stadt. Eine mögliche Sondergenehmigung, die auch möglich wäre, soll nicht erteilt werden. Denn die Dortmunder Verwaltung hat eine Sorge: Wenn man jetzt mit einem Mufflon so verfährt, was ist dann mit Rehen, die an Autobahnen herumlungern? Müsste man die nicht auch einfangen? Die Sorge der Stadt ist es, einen Präzedenzfall zu schaffen. Wo würde das dann aufhören?
Ein Zaun könnte helfen, sagt die Stadt. Der wäre, sagen die Gartenbesitzer, erstens sehr teuer und zweitens auch keine Lösung: Dann würde Herrmann einfach einen oder fünf Gärten weiterziehen. Von einem befreundeten Jäger jedenfalls bekam Herr Ninnemann den Tipp, Flatterband um den Garten zu ziehen. Flatterband würden die Tiere meiden. Herrmann leider wusste das nicht, jetzt zieht sich das Flatterband um den Garten und der Muffelwidder ist immer noch da. Ein Mitarbeiter der Autobahnmeisterei hat für den Fall der Fälle eine Sonderabschussgenehmigung erhalten. Die würde er auch brauchen, aktuell ist Mufflon-Schonzeit.
"Der steht im Saft, und die Hormone sprießen"
Frau Keinitz jedenfalls macht sich Sorgen, spätestens, seitdem sie im vergangenen Dezember mit den Tierschützern gesprochen hatte. Die gehen davon aus, dass Herrmann den Garten mittlerweile als sein Revier ansieht. Und die Menschen, die dort wohnen, als seine Familie. Und Mufflons, an sich Herdentiere, würden sich mit einem herzhaften Schädelschlag begrüßen. Im Moment begnügt sich Herrmann noch mit dem Gartenmobiliar, wie das aussieht, kann Herr Ninnemann demonstrieren. Er hat eine Videosequenz auf seinem Handy, auf dem das Wildschaf den Amboss traktiert. Dieses Geräusch, Geweih gegen Metall, klingt in der Tat besorgniserregend - hören Sie selbst:
"Der steht im Saft, und die Hormone sprießen", sagt Gabriele Bayer von der Arche 90 über Herrmann. Für sie als Tierschützerin ist es "nicht nachvollziehbar", dass das Tier nicht eingefangen werden darf. Die Tierschützer basteln gerade an einer Online-Petition, mit der sie Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau überzeugen wollen. Vielleicht hilft das noch was. "Ansonsten sind wir mit unserem Latein am Ende."
Herrmann indes, am Mittwochmorgen noch im Garten unterwegs, zog sich mittags wieder zurück. Der Rummel im Garten wurde ihm zu viel, als nach Fotografen auch noch Fernsehteams anrückten.
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