Straßburg Der Anschlag in Straßburg riss fünf Menschen aus dem Leben. Ein Mann wurde jetzt wegen „Verherrlichung von Terrorismus verurteilt“.
Weil er in sozialen Medien Freude über den Terroranschlag in Straßburg geäußert hat, ist ein 18-Jähriger zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Straßburger Staatsanwaltschaft bestätigte am Dienstag entsprechende französische Medienberichte. Demnach wurde der Mann bereits am Montag wegen „Verherrlichung von Terrorismus“ verurteilt.
Laut der Staatsanwaltschaft hatte der Mann nach dem Anschlag auf Instagram mehrere öffentliche Nachrichten mit Bezug auf die Vorfälle verfasst – darunter eine, in der er den Wunsch äußerte, dass es Tote gegeben habe. In einer anderen Nachricht bezeichnete er den Tag des Anschlags als „schönsten Tag“ für die Stadt Straßburg.
Laut einem Polizeisprecher verständigten andere Internetnutzer daraufhin die Polizei. Der Mann habe zugegeben, dass er mit den Nachrichten Aufmerksamkeit erregen wollte. Er sei bereits am Donnerstag, zwei Tage nach dem Anschlag, festgenommen worden.
Zwei weitere Menschen festgenommen
Am Montag wurden zudem zwei weitere Menschen festgenommen. Sie werden verdächtigt, eine Rolle bei der Beschaffung der Waffe gespielt zu haben, wie eine weitere Quelle der dpa bestätigte.
Ein dritter Verdächtiger aus dem Umfeld des mutmaßlichen Attentäters Chérif Chekatt, der bereits früher festgenommen worden war, sollte einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Das forderte die ermittelnde Antiterror-Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben am Montagvormittag.
Fünf Todesopfer bei Straßburger Anschlag
Chekatt wird vorgeworfen, am vergangenen Dienstag in der Innenstadt der Elsass-Metropole das Feuer eröffnet zu haben. Der Angriff hatte fünf Menschen aus dem Leben gerissen, mehrere wurden verletzt. Chekatt selbst wurde am vergangenen Donnerstag in Straßburg bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet.
Ermittler hatten nach dem Anschlag zeitweilig noch sechs weitere Menschen in Gewahrsam genommen, die aber laut früheren Berichten französischer Medien inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt wurden.
Straßburger Verdächtige schoss auf Polizei
Wie Frankreichs Innenminister Christophe Castaner am Donnerstagabend in Straßburg mitteilte, hatte der 29-jährige Verdächtige Cherif Chekatt vor seinem Tod auf drei Polizisten geschossen. Die Beamten erwiderten das Feuer, wobei der Verdächtige tödlich getroffen wurde.
Laut Castaner hatten die Spezialkräfte den Verdächtigen gegen 21 Uhr erkannt und gestellt. Die Polizei führte zu dieser Zeit Durchsuchungen in den Stadtteilen Neudorf und Meinau durch. In der Nähe der Rue du Lazaret sei es dann zum Schusswechsel gekommen.
Der Polizeieinsatz fand in den Vierteln statt, in denen der mutmaßliche Attentäter Cherif Chekatt zuletzt gesehen wurde. Eine Google-Karte zeigt den Ort des Einsatzes:
Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) teilte über das IS-Sprachrohr Amak noch am Abend mit, dass der Attentäter ein „Soldat des Islamischen Staates“ gewesen sei. Ob der Attentäter tatsächlich im Kontakt mit Vertretern der Gruppe gestanden hatte, ist unklar.
Es wurde bekannt, dass zuvor ein weiterer Verdächtiger festgenommen wurde. Er gehört nicht zur Familie Chekatts. Damit seien insgesamt fünf Verdächtige im Gewahrsam, bestätigte die Staatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Paris.
Weihnachtsmarkt in Straßburg wieder geöffnet
Der Weihnachtsmarkt in der Elsass-Metropole ist wiedereröffnet worden. Der französische Innenminister Christophe Castaner und der Straßburger Bürgermeister Roland Ries gingen am Freitagvormittag über den Markt in der Innenstadt und sprachen mit Verkäufern und Besuchern.
Der Platz wurde abgesichert von Polizei und Soldaten. Hunderte Menschen kamen am Vormittag zur Eröffnung und schlenderten über den Markt. An den Buden konnte man wieder Glühwein und Essen kaufen.
Der Weihnachtsmarkt war seit dem Anschlag am Dienstagabend geschlossen.
Ein Mann wurde wieder freigelassen
Auch in der Schweiz nahe der deutschen Grenze kam es Donnerstag zu einem Polizeieinsatz. Die Kantonspolizei Aargau gab allerdings schnell Entwarnung. Eine Reisende hatte am Donnerstagmorgen bei Rheinfelden den Verdacht geäußert, der Gesuchte sei in ihrem Zug, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Die Polizei habe den Mann an der nächsten Haltestelle in Frick rund zehn Kilometer südlich von Bad Säckingen in Baden-Württemberg aus dem Zug geholt und eingehend überprüft. Sie habe schnell festgestellt, dass es sich bei dem Mann nicht um den Verdächtigen handelte.
Attentat in Straßburg – das Wichtigste in Kürze:
- In der Nähe eines Weihnachtsmarktes in Straßburg hat ein Mann drei Menschen erschossen
- Dreizehn Menschen wurden verletzt
- Der mutmaßliche Täter wurde auf der Flucht von der Polizei getötet
- Er wurde 2017 aus Deutschland nach Frankreich abgeschoben
- Die Polizei suchte ihn mit einer Öffentlichkeitsfahndung
- Der „Islamische Staat“ reklamierte die Tat für sich
- Die Polizei sucht jetzt nach möglichen Komplizen
- Der Weihnachtsmarkt ist inzwischen wiedereröffnet worden
Bei dem Angriff in der Nähe des Straßburger Weihnachtsmarkts sind am Dienstag vier Menschen getötet worden. Zwei Opfer starben bei dem Angriff direkt, eines drei Tage später, ein weiteres ist hirntot.
Mindestens dreizehn Menschen seien verletzt worden, sechs davon schwer, teilte die örtliche Präfektur mit. Die Polizei geht von einem terroristischen Hintergrund aus. Der mutmaßliche Täter, Chérif Chekatt, soll „Allahu Akbar“ gerufen haben. Die Behörden tragen immer mehr Informationen über den mutmaßlichen Angreifer zusammen. So entsteht
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Was wissen wir über den Tathergang?
Am Dienstag gegen 20 Uhr soll der Verdächtige in den Straßen unmittelbar in der Nähe des Weihnachtsmarktes in der Straßburger Innenstadt das Feuer auf Passanten eröffnet haben. Die Tatwaffe war nach aktuellen Informationen eine Pistole.
Im Internet sind auf Videos von Anwohnern Schüsse zu hören. Außerdem ist ein Mann zu sehen, der am Boden liegt. Der Weihnachtsmarkt wurde durch Polizisten besonders geschützt.
Nach Angaben der Sicherheitsbehörden war es zu einem Feuergefecht zwischen dem mutmaßlichen Attentäter und Polizisten gekommen – nicht nur an einem Ort in der Innenstadt, sondern an mehreren Punkten.
Den Beamten gelang es nicht, den Täter zu überwältigen. Er konnte fliehen. Französische Medien berichten, dass der Täter offenbar in einem Taxi vom Tatort geflohen sein soll. Der Fahrer des Taxis soll der Polizei kurz danach berichtet haben, dass der Attentäter angeschossen worden sei.
Mit einem Großaufgebot von mehreren Hundert Einsatzkräften suchte die Polizei nach dem Angreifer. Dabei waren auch Spezialeinheiten im Einsatz. Deutsche Grenzbeamte vor allem in Baden-Württemberg verstärkten die Kontrollen auf den Straßen zu Frankreich. Auch in Bayern wurde nach dem Tatverdächtigen gefahndet, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CDU) am Mittwoch mit.
Was wissen wir über den Täter?
Wichtig ist zunächst: Laut Zeugenaussagen und nach Angaben der Polizei war nur ein Täter am Tatort und eröffnete das Feuer – anders als etwa bei den terroristischen Angriffen in Paris im November 2015, bei dem ein sogenanntes „Hit-Team“ von mehreren Angreifern zeitgleich und an verschiedenen Orten das Feuer auf Passanten eröffnet hatte.
Bei dem Angreifer von Straßburg handelt es sich laut dem Pariser Antiterror-Staatsanwalt Rémi Heitz um den 29 Jahre alten Chérif Chekatt. Er stammt aus Straßburg. Der Mann war der französischen Polizei bekannt, etliche Male soll er mit Straftaten wie Raub in Erscheinung getreten sein.
In Frankreich saß der Mann bereits im Gefängnis. 2016 verurteilte das Amtsgericht Singen den mutmaßlichen Angreifer auf den Straßburger Weihnachtsmarkt wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
2017 wurde Chekatt offenbar aus der Haft entlassen und nach Frankreich abgeschoben. Aus dem Gerichtsurteil, das unserer Redaktion vorliegt, gehen mehr Details über das Leben von Chérif Chekatt hervor.
Demnach soll er gemeinsam mit sechs Geschwistern und seinen Eltern in Straßburg geboren und aufgewachsen sein. Seine Familie stammt ursprünglich aus Marokko. Bis Chekatt 16 Jahre alt war, habe er die Schule besucht. Laut Gerichtsakte ist sein Abschluss mit dem eines deutschen Hauptschulabschlusses vergleichbar. Eine Ausbildung hat C. nicht absolviert.
Nach der Schule war der junge Mann bei der Gemeinde Straßburg beschäftigt. Was er dort genau getan hat, ist unklar. Seit 2011 sei Chekatt arbeitslos gewesen, heißt es in dem Urteil des Amtsgerichts Singen aus 2016. Der junge Mann sei dann „viel auf Reisen gewesen“. Und landete in Deutschland.
Hier fiel er der Polizei schon im Februar 2012 auf. Damals ist er laut Angaben der Justiz in eine Zahnarztpraxis in Mainz eingebrochen. Die Beute: 1467 Euro Bargeld, Briefmarken sowie Zahngold im Wert von 6572 Euro.
Auch in Luxemburg ist Chekatt kriminell aufgefallen. Seine DNA sei bei einem versuchten Einbruchsdiebstahl im Jahr 2012 am Tatort gefunden worden, sagte ein Sprecher der Regierung in Luxemburg am Mittwoch. Danach sei auch ein Strafverfahren gegen Chérif Chekatt eingeleitet worden. Eine Vorladung habe dem Mann aber nicht zugestellt werden können, da sein Wohnort damals unbekannt gewesen sei, sagte ein Sprecher der Luxemburger Justiz.
Die nächste Straftat hat Chérif Chekatt demnach Anfang 2016 begangen. In Engen am Bodensee ist er in eine Apotheke eingebrochen. Der Täter flüchtete, als der Alarm anging. Die Polizei entdeckte DNA und identifizierte Chekatt mit dem Bild von Überwachungskamera. Beute hier laut Gerichtsakte: 315 Euro.
Wo sich Chérif Chekatt während seiner Zeit in Deutschland aufhielt, ist derzeit noch nicht bekannt – auch nicht, wie er sein Leben in dieser Zeit finanzierte und mit wem er im Kontakt stand.
Die französischen Sicherheitsbehörden führten seit 2016 ein sogenanntes „Fiche S“ über den Tatverdächtigen. In dieser Kategorie speichern die Sicherheitsbehörden Informationen zu rund 26.000 Personen, von denen etwa 10.000 als stark radikalisiert gelten, darunter Islamisten.
Auch Chérif Chekatt galt laut der Zeitung „Le Figaro“ als radikal. Brisant ist: Am Dienstagmorgen, Stunden vor dem Attentat, wollte die Polizei laut Medienberichten Chérif Chekatt in seiner Straßburger Wohnung festnehmen lassen. Der Tatvorwurf: schwerer Raub, beziehungsweise versuchter Mord, wie andere Medien berichten.
Der Verdächtige konnte entkommen. Die Polizisten entdeckten bei der Durchsuchung der Wohnung offenbar Granaten und ein Gewehr.
Was wissen wir über die Motive des Täters?
Wichtig zur Einordnung ist die offizielle Äußerung des französischen Innenstaatssekretärs Laurent Nunez. Er warnte zum einen vor einer vorschnellen Festlegung auf islamistischen Terrorismus. Dies könne zur Stunde nicht bestätigt werden, sagte Nunez. Bisher liegen dem französischen Geheimdienst und der Polizei offenbar keine Verbindungen des mutmaßlichen Attentäters zu einem terroristischen Netzwerk vor.
Auch dem Bundeskriminalamt war Chérif Chekatt nicht als Islamist bekannt, erfuhr unsere Redaktion aus den Sicherheitsbehörden.

Allerdings hatte die Polizei einen Verdacht, so Nunez. Chérif Chekatt soll sich religiös radikalisiert haben und islamistisch aufgefallen sein. Deshalb habe er auch unter Beobachtung gestanden. Chekatt saß im Gefängnis – und gerade Haftanstalten gelten Experten als Ort, an dem die Gefahr einer Radikalisierung besonders hoch sein kann.
Nach Angaben der Ermittler hörten Zeugen den Angreifer „Allahu Akbar“ (Allah ist groß) rufen. Angesichts des Zielorts, seiner Vorgehensweise und der Zeugenaussagen habe die Antiterrorabteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, sagte Antiterror-Staatsanwalt Heitz am Mittwoch.
Terrorismus-Experten stellen gerade in den vergangenen Jahren immer häufiger „hybride Profile“ von Attentätern fest. Die Personen sind kriminell, fallen mit Straftaten wie Drogenhandel und Körperverletzungen auf. Zugleich radikalisieren sie sich.
Kriminelle begründen Straftaten religiös. Gerade in Frankreich und Belgien zeigen die Biografien vergangener Attentäter eine lange Laufbahn als Klein- oder Schwerkriminelle. Auch Chérif Chekatt soll ein sogenannter „Intensivtäter“ gewesen sein.
Reaktionen auf den Anschlag
• Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte ihr Mitgefühl aus. Der Angriff habe sie tief erschüttert, schrieb sie in einem Kondolenztelegramm an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Text das Bundespresseamt am Mittwochabend veröffentlichte. „Wir trauern um die Menschen, die so jäh aus dem Leben gerissen wurden, und sind mit unseren Gedanken bei den Verletzten und den Angehörigen der Opfer.“
• Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich „tief erschüttert“ über den Terroranschlag in Straßburg geäußert und die „feige Tat“ verurteilt. „Unsere Gedanken sind bei den Opfern, unser Mitgefühl gilt ihren Angehörigen“, schrieb der SPD-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter. Die Bundesregierung tue alles, um den französischen Freunden beizustehen, versicherte Maas.
• EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker twitterte, dass er die Schießerei aufs Schärfste verurteile. Straßburg sei ein Symbol des Friedens und der europäischen Demokratie, deren Werte man stets verteidigen werde.
• Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte, die Attacke erinnere an den Berliner Terroranschlag 2016. „Wir in Berlin denken angesichts des Geschehens von gestern Abend sofort an den brutalen Terrorangriff auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember vor zwei Jahren“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch. „Berlin hat sich bewusst entschlossen, trotz dieser menschenverachtenden Gewalttat an seiner freiheitlichen, toleranten und weltoffenen Lebensweise festzuhalten. Wir wünschen auch Straßburg diese Kraft.“
Frankreich ist in der Vergangenheit mehrfach von Terror-Attacken erschüttert worden. Der schwerwiegendste Anschlag ereignete sich am 13. November 2015 in Paris, als mehrere Attentäter an verschiedenen Orten 130 Menschen töteten und fast 700 verletzten.
Der Straßburger Markt sollte schon einmal Ziel eines Attentats sein: Im Jahr 2000 wurde ein geplanter Sprengstoffanschlag einer algerischen Gruppe rechtzeitig verhindert. (dpa/cu/cho/hip/ac)
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