Mit der Auszeichnung für belarussische, russische und ukrainische Menschenrechtler setzt das Komitee ein Zeichen, meint NRZ-Reporter Jan Jessen.
So politisch wie in diesem Jahr war der Friedensnobelpreis lange nicht mehr. Die Auszeichnung für den inhaftierten belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki, die älteste russische Menschenrechtsorganisation Memorial und die 2007 gegründete Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties (CCL), das „Zentrum für bürgerliche Freiheiten“, ist vor allem eines: ein Signal an den russischen Machthaber und Kriegstreiber Wladimir Putin.
Einsatz für politische Gefangene in Belarus
Bjaljazki war eine der treibenden Kräfte bei den Protesten gegen den mit Putin eng verbündeten belarussischen Machthaber Lukaschenko vor zwei Jahren und hatte sich in der Vergangenheit für politische Gefangene aber auch für die Opfer des Stalinismus eingesetzt. Im Juli vergangenen Jahres wurde er ins Gefängnis gesteckt, zuvor war er bereits zwischen 2011 und 2014 inhaftiert. Memorial wurde Ende vergangenen Jahres in Russland verboten.
Putin setzt sich über über das Völkerrecht hinweg
Auch die russische Menschenrechtsorganisation hat sich in der Vergangenheit für die Aufarbeitung der sowjetischen Gewaltherrschaft eingesetzt. Das Verbot war weltweit auf scharfe Kritik gestoßen und als weiteres Indiz für ein zunehmend repressives Klima in Russland gewertet worden. Das ukrainische CCL wiederum ist eine vergleichsweise junge Organisation, die vor 15 Jahren gegründet wurde, sich für die Einhaltung und Implementierung von Menschenrechten in der Ukraine einsetzt und aktuell für die juristische Aufarbeitung des russischen Angriffskriegs einsetzt.
Mit der Auszeichnung setzt das Nobelkomitee ein klares Zeichen für Menschenrechte und Demokratie, die nicht nur in Belarus oder Russland gefährdeter denn je sind, sondern weltweit vom Erstarken autokratischer Systeme bedroht werden. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen mit ihrem universellen Anspruch ist immer weniger das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde. Der russische Despot Putin setzt sich mit seinem mörderischen Angriffskrieg in einer nahezu obszönen Weise über das Völkerrecht hinweg.
Auszeichnung ist ein Aufruf zu offener Kommunikation
In Russland selbst wird die Luft für diejenigen immer dünner, die sich für eine offene, tolerante, friedliche und demokratische Gesellschaft einsetzen. Für diese Menschen ist die Entscheidung des Nobelkomitees eine, die Mut macht, trotz der immer härter werdenden Repressionen nicht aufzugeben. Diejenigen, die jetzt ausgezeichnet werden, haben sich mit der Kraft des Wortes für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Aufarbeitung von Geschichte eingesetzt.
In Zeiten, in denen auch vermeintlich freien und demokratischen Staaten die Sprachlosigkeit zunimmt und gesellschaftliche Friktionen durch Hass und Hetze vertieft und verbreitert werden, ist die Auszeichnung deswegen auch ein Aufruf, achtsamer und offener miteinander zu kommunizieren.
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