Münster. In Westfalen hat es nach Ansicht des Landeshistorikers Werner Freitag nicht die eine Reformation, sondern viele verschiedene Wege der Erneuerung gegeben. „Es handelte sich ganz wesentlich um eine Bewegung von unten“, sagte Freitag in Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Männer und Frauen in den Städten hätten die Reformation ebenso getragen wie einzelne Pfarrer, Mönche, Nonnen oder Adelsfamilien.
In Westfalen hat es nach Ansicht des Landeshistorikers Werner Freitag nicht die eine Reformation, sondern viele verschiedene Wege der Erneuerung gegeben. „Es handelte sich ganz wesentlich um eine Bewegung von unten“, sagte Freitag in Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Männer und Frauen in den Städten hätten die Reformation ebenso getragen wie einzelne Pfarrer, Mönche, Nonnen oder Adelsfamilien.
Einen „großen Reformator“ habe es in der Region nicht gegeben, betonte der Geschichtsprofessor, der im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster forscht. Luther und Melanchthon predigten nie in Westfalen. Doch hätten sie durch Briefe, Gutachten und Personalpolitik einigen Einfluss ausgeübt. So vermittelte Luther etwa 1532 einen Superintendenten nach Soest und gab wenige Jahre später grünes Licht für die Kirchenordnung in Lippe.
Sprachprobleme spielten eine Rolle
Vor allem in den Städten habe sich die lutherische Reformation durchgesetzt, erklärte Freitag. In kleineren Orten und auf dem Land sei es oft zu Mischformen der Bekenntnisse gekommen: Während das Abendmahl nach evangelischer Lehre in Brot und Wein gereicht wurde und deutsche Lieder im Gottesdienst eingeführt wurden, sei der Ablauf oft katholisch geblieben.
Bei der „Verspätung“ der Reformation in Westfalen spielten nach Einschätzung Freitags Sprachprobleme eine große Rolle: „Luther ostmitteldeutsche Sprache wurde hierzulande kaum verstanden.“ Ohne die Übersetzung der Lutherbibel ins Niederdeutsche durch Johannes Bugenhagen hätte der Wittenberger Reformator nur wenig Resonanz gefunden. Bei der Neuorganisation der Kirche hätten sich die westfälischen Städte vielfach an der von Bugenhagen verfassten Braunschweiger Kirchenordnung orientiert.
Die Folgen von Reformation und Gegenreformation zeigen sich nach Freitags Worten bis heute. Während es etwa in Minden-Ravensberg, Lippe und Siegen-Wittgenstein einen hohen Anteil an evangelischen Christen gebe, seien im Hochstift Paderborn, Münsterland und Sauerland die Katholiken die Mehrheit. Heute könne hierzulande offen und tolerant mit anderen Bekenntnissen umgegangen werden, betonte Freitag. „Dies musste im Zeitalter der Reformation erst mühsam gelernt werden.“
Fürsorge für die Armen
Die reformatorischen Impulse seien bis heute im Bildungswesen sichtbar, ergänzte der Hochschullehrer. Traditionsreiche städtische Gymnasien wie in Soest oder Minden gingen direkt auf die Kirchenordnungen der 1530er Jahre zurück. Mit der Reformation sei auch die Fürsorge für die Armen durch den so genannten „Gemeinen Kasten“ unter kommunale Aufsicht gekommen.
Auf dem Land kam es vielfach zu Mischformen der Bekenntnisse: Das Abendmahl wurde den Gläubigen getreu der evangelischen Lehre in Brot und Wein gereicht, die Gemeinde sang neue Lieder, aber ansonsten wurde die katholische Messe beibehalten. In den Städten kam es meist zu einer friedlichen Koexistenz der Konfessionen: Der Minderheit wurde ein eigener Gottesdienst zugestanden und eine Kirche überlassen. In den Bischofsstädten Paderborn und Münster war damit allerdings mit Durchsetzung der katholischen Gegenreformation Anfang des 17. Jahrhunderts Schluss. Hier konnten sich evangelische Gemeinden erst 200 Jahre später mit der Eingliederung der ehemaligen Fürstbistümer in das Königreich Preußen wieder frei betätigen.
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