Bühne

Sarah Bosetti live: Wie man Hass in Poesie verwandelt

| Lesedauer: 4 Minuten
Geht lyrisch virtuos mit Shitstorms um: Sarah Bosetti.

Geht lyrisch virtuos mit Shitstorms um: Sarah Bosetti.

Foto: Voland & Quist GmbH

Essen.  Beleidigende Kommentare machen Sarah Bosetti kreativ. Die aus dem Fernsehen bekannte Autorin und Satirikerin geht nun wieder auf Tournee.

Der Blinddarm ist ein Körperteil, das eher selten zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen wird. Sarah Bosetti hat es trotzdem geschafft. Im ZDF-Format „Bosetti will reden“, zu finden in der Online-Mediathek des Senders, sprach die Autorin und Satirikerin im vergangenen Dezember über die Spaltung der Gesellschaft im Zuge der Pandemie. Und diese würde doch nicht, wie es viele immer wieder behaupten, in der Mitte auseinanderbrechen. „Eigentlich sitzen die, die die Gesellschaft spalten wollen, ziemlich weit rechts und ziemlich weit unten“, sagte Bosetti.

Wie eben ein Blinddarm im menschlichen Körper. „Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes. Wenn er sich entzündet, schreit er laut auf und nervt“, ergänzte sie. Ein, wie sie direkt anfügte, „mit schiefen Vergleichen gespickter Ausdruck tiefer Corona-Frustration.“ Andere würden es simpel Satire nennen.

„Blinddarm“-Video sorgte sogar Rücktrittsforderung gegen ZDF-Chef

Was folgte, bezeichnet man im heute gängigen Neudeutsch als „Shitstorm“. Die gebürtige Aachenerin erhielt zahlreiche Beleidigungen und Drohungen. Ursache dafür war ein Beitrag des umstrittenen Kolumnisten Rainer „Don Alphonso“ Meyer auf der Social-Media-Plattform Twitter, der Bosettis Aussage direkt neben eine des SS-Arztes Fritz Klein stellte. „Der Jude ist der eiternde Blinddarm im Körper der Menschheit“, sagte dieser seinerzeit im Dritten Reich. CDU-Politiker Arnold Vaatz sprang darauf an und forderte gleich mal den Rücktritt der gesamten ZDF-Führung um Intendant Thomas Bellut.

Was Bosetti natürlich nicht auf sich sitzen lassen konnte und sich entschieden in einem achtminütigen Video auf der Video-Plattform YouTube wehrte: „Blinddarm ist kein Nazi-Wort. Zu Nazi-Rhetorik wird es erst da, wo man Menschen als zu entfernende und vernichtende Krankheit degradiert. Und – Überraschung! – das habe ich niemals getan.“

2020 erschien ihr Buch zum Thema Hasskommentare

Vermutlich wird Sarah Bosetti mit all den Nachrichten, die sie im Zuge der „Blinddarm-Affäre“ erhielt, ohnehin wieder das tun, was sie seit Jahren immer wieder tut. In ihrem 2020 erschienenen Buch „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe! – Mit Liebe gegen Hasskommentare“ versammelt sie die bösesten und gemeinsten Sprüche, die jemals an sie gerichtet wurden, kommentiert diese und widmet ihnen ein eigenes, pointiert formuliertes Gedicht. Themenschwerpunkte sind Politik, Gesellschaft und Feminismus.

Auszüge aus ihrem aktuellen Werk stellt die 37-Jährige nun auch wieder auf den Bühnen des Landes vor. Auf diesen steht sie bereits seit 2009 regelmäßig, wenngleich damals meist noch im Zweier-Gespann mit Slampoet Daniel Hoth. 2013 schaffte es das Duo bei der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaft auf Platz zwei.

Dauergast im TV

In den vergangenen Jahren war Bosetti aber vor allem in verschiedenen Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen zu sehen. Unter anderem standen regelmäßige Auftritte bei Formaten wie „Nuhr im Ersten“, „Die Anstalt“, „Extra 3“ und „Mitternachtsspitzen“ an. Ein Bild von Sarah Bosettis Humor- und Satireverständnis konnten sich die Zuschauer also oft genug machen.

Und diejenigen wird auch nicht verwundern, mit welchen Worten sie die „Blinddarm-Affäre“ beendete: „Ich möchte mich in aller Form für meine Worte entschuldigen, liebe Blinddärme dieser Welt. Den Vergleich hattet ihr wirklich nicht verdient.“

>>> INFO: Sarah Bosetti live

Termine: 9.2. Mönchengladbach (Rote Krokodil), 26.2. Essen (Zeche Carl, wird verlegt), 4.3. Krefeld (Südbahnhof), 25.3. Münster (Kreativhaus), 3.4. Düsseldorf (Zakk), 9.6. Recklinghausen (Ruhrfestspielhaus), 4.9. Bochum (Bhf Langendreer), 30.9. Köln (Comedia), 3.11. Wuppertal (Börse).

Karten ab ca. 18 € gibt’s u.a. hier.

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