Lesung

Miroslav Nemec: Vom Tatort-Kommissar zum Sirtaki-Tänzer

| Lesedauer: 6 Minuten
Demnächst in Dortmund zu sehen: Miroslav Nemec als Alexis-Sorbas

Demnächst in Dortmund zu sehen: Miroslav Nemec als Alexis-Sorbas

Foto: Bernadette Fink

Dortmund.  Im Fernsehen jagt er Mörder, im Ruhrgebiet steht er demnächst als Alexis Sorbas auf der Bühne. Was Miroslav Nemec mit dem Romanhelden verbindet.

Die meisten Leute kennen Miroslav Nemec vor allem als Kriminalhauptkommissar Ivo Batic. In dieser Rolle hat er in den vergangenen Jahren schließlich 92 Fälle im Münchner Tatort gelöst. Nun aber geht es kurzzeitig von München nach Kreta, vom Fernsehen auf die Bühne. Dort wird Nemec zum Lebenskünstler Alexis Sorbas, dem Titelhelden des mehrfach oscarprämierten Kinoerfolges aus dem Jahr 1964.

„Ja klar kommen die meisten Besucher, weil sie mich aus dem Tatort kennen“, macht sich der 68-Jährige nichts vor. Aber das ist ja nicht schlimm. „Es dauert nur kurze Zeit, dann lassen sie sich auf die Figur des Sorbas ein“, hat er immer wieder festgestellt. Und am Ende sagen sie nicht selten: „So kennen wir sie ja gar nicht.“ Nemec lacht. „Dabei habe ich schon immer viele Sachen gemacht.“ Filme hat er gedreht, auf Bühnen gestanden, Bücher geschrieben und Musik gemacht in einer von seinen zwei Bands, mit denen er spielt. „Eigentlich bin ich seit Jahren rund um die Uhr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Den Menschen ist das nur nicht aufgefallen, weil der Tatort so dominant ist.“

„Mit Musik, Licht und Bewegung“

Dass er nun zu Alexis Sorbas wird, liegt vor allem an Martin Mühleis, Regisseur, Produzent und spezialisiert darauf, Literatur für die Bühne zu adaptieren. „Du bist genau der Richtige für den Sorbas“, sagt er Nemec vor einiger Zeit. In einer klassischen Lesung testen sie die Reaktion des Publikums, entschließen sich dann das Ganze „mit Musik, Licht und Bewegung“ aufzupeppen, wie der zweifache Grimme-Preis Gewinner mit fast britischem Understatement erzählt.

Kritiker dagegen sprechen nach den ersten Vorstellungen von einer „Architektur aus Sprache, Musik, Lichtdesign und Schauspiel“ und einer „Paraderolle“ für den gebürtigen Kroaten, in der er alle Figuren mit teils verstellten Stimmen eher spielt als nur spricht. Und der auch den legendären Sirtaki tanzt. Allerdings nicht zum Klassiker von Mikis Theodorakis, sondern zu einer eigens für das Stück neu komponierten Musik.

Viele Besucher kennen weder Buch noch Film

Das fällt dem Publikum aber kaum auf. Viele Besucher der Vorstellungen kennen weder das Buch aus der Feder von Nikos Kazantzakis, noch den Film mit dem grandios aufspielenden Anthony Quinn in der Hauptrolle, hat Nemec festgestellt. „Aber sie verstehen schon nach ein paar Minuten, um was es geht.“ Um zwei Männer nämlich, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist der sensible englische Schriftsteller Basil und der impulsive Makedonier Alexis Sorbas, der für den Augenblick lebt, seine Gefühle mit dem ganzen Körper ausdrückt und meist handelt statt zu reden. Zusammen wollen die beiden ein altes Bergwerk auf Kreta wieder in Betrieb nehmen.

Ein wenig Sorbas, findet Nemec, stecke schon in ihm. Etwas von dem Mann, für den die Welt jeden Tag neu entsteht und der das Leben annimmt, wie es ist – mit allen Freuden, aber auch mit Plänen, die nicht aufgehen. Einer, der nie verzagt, der zu genießen weiß, auch wenn die Zeiten mal schlecht sind

Vorbereitet sein, wenn mal etwas schief geht

„Manchmal überprüfe ich, wie ich lebe, was der Sorbas mir noch zu sagen hat“, sagt der gebürtige Kroate. „Ob ich es schaffe, auf meine lustvollen Momente zu achten. Nicht zu exzessiv, ein Genuss nach dem anderen.“ Was nicht immer ganz einfach ist. „Weil man ja doch in seiner Arbeit steckt.“

Und dieses „nicht unterkriegen lassen“, das Sorbas innewohnt, das kennt Nemec auch. Schon als Kind haben ihn die Erwachsenen beim in seiner Heimat so beliebten Schach nie absichtlich gewinnen lassen, „Man muss auch das Verlieren lernen“, hat sein Onkel gesagt. „Ich weiß nicht, ob man das tatsächlich lernen kann“, sagt der Schauspieler. „Aber egal wie gut man alles geplant hat, man muss darauf vorbereitet sein, dass auch mal etwas schief gehen kann.“ Von der Frau oder Freundin verlassen zu werden oder den Job zu verlieren, „das ist hart“, sagt Nemec. Er weiß das, er hat das alles selbst mal durchgemacht. Er mag keine Durchhalteparolen, „aber in solchen Situationen nicht zu verzweifeln, wieder aufzustehen, das ist wichtig. Sonst verschenkt man Lebenszeit“.

Rückkehr an alte Wirkungsstätten

Er könne „nicht nichts machen“, haben Freunde und Bekannte früher über ihn gesagt. Nemec lacht. „Das ist vorbei.“ Er sagt jetzt auch mal „nein“ zu einem Angebot. Auch weil er Zeit für die Familie haben will, für Ehefrau und junge Tochter. Er könne zwar immer noch nicht eine Woche im Liegestuhl am Strand liegen. Aber mal abschalten bei der Gartenarbeit, einem Telefonat mit Freunden oder beim Kochen – „das funktioniert“.

Beruflich, sagt er, habe er ja das Glück, nur noch machen zu können, worauf er Lust habe. Auf Sorbas hat er große Lust. Zurück an alte Wirkungsstätten führt ihn die kurze Tour. Nach Köln, aber auch ins Ruhrgebiet – nach Dortmund. Er kennt das Revier, er hat Anfang der 1980er Jahre während eines Engagements mal ein paar Monate in Altenessen gelebt. Eine Zeit, die verbunden bleibt mit vielen Erinnerungen. Zum Beispiel an den Besitzer eines Büdchens, zu dem er so oft wie möglich gegangen ist. Nicht in erster Linie, um etwas zu kaufen, sondern um ihn reden zu hören. „Der Mann sprach wie Jürgen von Manger, erzählt Nemec. „Und den habe ich geliebt.“

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